Β»[…] und daΓ es sich bei diesem so prominent auf dem Firmenschild vermerkten Versprechen keineswegs um leere Worte handelte, davon konnten ganze Generationen der Einwohner des StΓ€dtchens D. aus eigener Erfahrung kΓΌnden. Der Rat des Herrn Zirngibl lautete im Trauerfall in all den Jahren stets gleich: „Da hilft nur eins: eingraben.“ Kombiniert mit dem verbindlichen Hilfsangebot: „Das mach‘ ich“.Β«
Monatsarchiv: Mai 2019
Der Fenstersturz in der sozialen Medienschau
Nur die Γlteren unter Ihnen werden sich erinnern: 400 Jahre ist es inzwischen her, daΓ protestantische Aufwiegler kaiserliche Verwaltungsbeamte vΓΆllig ohne Rechtsgrundlage aus dem Fenster der Statthalterei auf dem Hradschin zu Prag warfen, eine damals gar nicht so unΓΌbliche Form der Ingrimmskundmachung. Und obschon dieser zweite Prager Fenstersturz ein glimpfliches Ende fand – die derart ungebΓΌhrlich hinausgebetenen WΓΌrdentrΓ€ger landeten angeblich in einem Misthaufen – waren die Implikationen dieser Episode doch nicht ganz unerheblich: Bekanntlich betrachtete man die Chose, aller Situationskomik zum Trotze, wenig humoristisch und fΓΌhrte die nΓ€chsten dreiΓig Jahre einen durchaus ernstzunehmenden Konflikt.
WΓΌrde sich dies epochale Ereignis heutzutage zutragen, wΓ€re der Ablauf wohl ein anderer. In dem Fall hΓ€tte der umstehende PΓΆbel vermutlich rasch seine Handfernsprecher gezΓΌckt und die Bilder der in den Kuhmist purzelnden WΓΌrdentrΓ€ger wΓ€ren schnell eine millionenfach geteilte, selbst aufstoΓende Miezekatzen ΓΌbertreffende Tagessensation in den einschlΓ€gigen sozialen Netzwerken. Auch die politischen WΓΌrdentrΓ€ger der beteiligten Parteien wΓΌrden selbstredend via „Twitter“ ebenfalls ihren Senf beimengen und alsbald wΓ€re der Ton schrill und hysterisch, in „Tweets“ und „Retweets“ wΓΌrde man Zeter und Mordio schimpfen, sich mit Atomkriegen bedrohen – und schlieΓlich zum nΓ€chsten Aufreger weiterziehen, wΓ€hrend die Fensterszene wohl noch ein paar Jahre als schierer Treppenwitz durch die niedersten Humorgefilde des Internets geistern wΓΌrde, periodisch geteilt in illustren Gruppen wie „Ich hab kein Humor, aber der is echt zum brΓΌlln“, mutmaΓlich verziert mit von Kinderhand aufgekritzelten FroschkΓΆpfen.
So bleibt uns nun, da wir diese kleine Parabel beschlieΓen, nur die beruhigende Erkenntnis, daΓ der aufgeklΓ€rte Mensch von heute wegen eines banalen Misthaufen-Sturzes sicher nicht zur Waffe greift oder gar das Haus verlΓ€sst; dafΓΌr wurde frΓΌher, und auch das muss man sagen, lΓ€ngst nicht so viel Unsinn erzΓ€hlt. Auf die nΓ€chsten 400 Jahre!
Epochenhochzeit richtig gemacht
FΓΌr EheschlieΓungen vermiete ich mein Familienkastell ja bereits seit Jahren. Ich weiΓ, ich weiΓ: eine durchaus etwas anrΓΌchige, aber gleichsam eben unwiderstehlich lukrative Nebeneinkunft fΓΌr einen Aristokraten von Rang. Allerdings macht der rΓΌckschrittliche Zeitgeist inzwischen nicht einmal vor unschuldigen Verehelichungen halt.
Zuletzt erreichen mich quasi permanent Anfragen fΓΌr sogenannte „Mittelalterhochzeiten“, nach meinen Recherchen Γ€uΓerst dΓΌmmliche Veranstaltungen, auf denen in FaschingskostΓΌme gewandete Brautpaare sich zum plΓ€rrenden Klang der Laute mit in ehemaligen DDR-Kombinaten selbstgeschmiedeten Trauringen das Ja-Wort in gebrochenem Mittelhochdeutsch zuradebrechen.
Aber gut, der Kunde ist nun einmal auch bei mir KΓΆnig, was allerdings nicht bedeutet, daΓ ich dem bedauernswerten Mittelalter – bekanntlich in Wahrheit eine eher ernste Epoche – eine derart verkitschte Romantisierung zuzufΓΌgen gedenke, die es ganz zweifellos nicht verdient hat. Ganz im Geiste dieser Γberlegungen habe ich nunmehr auch die erste Mittelalter-VermΓ€hlung ihrer Art, nΓ€mlich dieselbe der MΓΌllers, geplant.
Empfangen werden die geladenen GΓ€ste vor der romantischen Kulisse des frΓΌhgotischen Burghofs von einem Flagellantenzug, der schmackhafte Carpaccio-HΓ€ppchen vom eigenen, offenen Wundfleisch serviert. AnschlieΓend darf sich die Allgemeinheit an einer echten Enthauptung erfreuen (der glΓΌckliche Delinquent wird bei einer lustigen Tombola gezogen), wΓ€hrend im groΓen Festsaal noch die letzten Vorbereitungen laufen. Hand aufs Herz: Was wΓ€re schlieΓlich eine Mittelalterhochzeit ohne eine zΓΌnftige Pest-Epidemie? Sind alle Sitzreihen gleichmΓ€Γig mit Erregern kontaminiert, kann auch schon die Trauungszeremonie beginnen.
Allerdings habe ich auch hier keineswegs auf eine epochengerechte Inszenierung verzichtet: Unmittelbar nach dem Ja-Wort wird nΓ€mlich eine eigens engagierte Schauspielerin aufspringen und den BrΓ€utigam des Ehebruchs bezichtigen, woraufhin dieser unter allgemeinem Hallo aufs Rad geflochten wird. Aber auch die Braut bekommt ihren groΓen Auftritt: sie wird im spΓ€teren Verlauf der Feierlichkeiten als Hexe entlarvt und solang peinlich befragt, bis sie gesteht. AnschlieΓend beschlieΓt ihre Verbrennung die Feierlichkeiten mit einem beeindruckenden Lichterspiel.
Sie sehen: Nur wer bei mir mittelalterlich ehelicht, erhΓ€lt ein wahrhaft authentisches Erlebnis. Gerne richte ich auch Ihre Epochenhochzeit fΓΌr Sie aus. Bezahlung nur im Voraus.
GeiΓel BerufsunfΓ€higkeit
Heute gedenken wir meinem Ahnherrn Wenzel-Eusebia, der nach einem tragischen Arbeitsunfall bei einer dereinst durchaus ΓΌblichen Massenhinrichtung seinen erlernten Beruf als GeiΓler und Vierteiler nicht mehr ausΓΌben konnte. Noch heute wartet die Familie auf die Auszahlung einer angemessenen BerufsunfΓ€higkeitsrente der Katholischen Liga.
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