Als im positivsten Sinne konservativer Mensch lege ich naturgemäß ausgesprochen viel Wert auf das, was man früher richtigerweise als „alter Väter Sitte“ und heutzutage wohl lapidarer als „Tradition“ bezeichnet. Das gilt natürlich umso mehr, wenn sich diese althergebrachten Bräuche auf die hochheilige Weihnachtszeit beziehen. Und in meinem Fall ist es eben hehre Weihnachtssitte, Sie in jedem Jahr aus Neue mit auf besondere Weise intonierten Weihnachtsmelodien in Albumform zu erfreuen. Im letzten Jahr scheute ich keine Mühen und ernährte mich den gesamten Advent ausschließlich von Bohnen und Sauerkohl, damit Sie am Heiligabend meinen Interpretationen bekannter Besinnlichkeitsklassiker auf der Villeroy-und-Boch Porzellantrompete lauschen konnten, im Jahr davor hingegen blies ich virtuos auf dem Kamm.
Freilich verlangt dieses, pardon, Seuchenjahr nach ganz anderen Maßnahmen. Wie könnte ich heuer leichten Herzens fidele Liedlein flatulieren, während rechts und links Menschen sterben oder ebenjenes Sterben bezweifeln? Nein, die knüppelharte Weihnacht ’20 verlangt nach einer anderen Herangehensweise. Freilich wollen wir uns zugleich das Fest nicht von dieser hundsgemeinen Pandemie gänzlich vermiesen lassen. Es galt also, für meine diesjährige Langspielplatte den idealen Mittelweg zu finden zwischen Festivität und Buße, gleichsam zwischen Krippe und Katharsis.
Kaum einer wird bezweifeln, daß dieses Virus insbesondere als göttliche Strafe zu begreifen ist und wir deshalb Buße tun müssen. Warum also nicht das Notwendige mit dem Besinnlichen verbinden? Und das Mittelalter hat uns zu Zeiten des Schwarzen Todes auf virtuose Weise vorgemacht, wie dies am besten geht. Man muss dem Herrgott eben zeigen, daß man seine Sünden bereut, zugleich aber selbstredend auch die alljährliche Ankunft seines kurzlebigen Filiusses lobpreist. Gar keine Frage: Ein weihnachtlicher Geißlerzug muss her. Und da ich natürlich weiß, daß es gerade in Pandemie-Zeiten durchaus nicht ganz unbedenklich – ja, sogar direkt verboten ist, mit offenen Wunden durch die Straßen zu flanieren, lasse ich es mir nicht nehmen, Ihnen diese Last stellvertretend von den Schultern zu nehmen. Daher habe ich meine alte Flagellanten-Kombo aus Studienzeiten wiedervereint und ein Weihnachtsalbum eingepeitscht, das (bei aller Bescheidenheit) durchaus seinesgleichen sucht.
Genießen Sie eine besinnliche Seelenreinigung unter dem Weihnachtsbaum, während Sie den mit Liebe auf unsere Rücken geschlagenen großen Klassikern der Weihnachtsmusik lauschen. Selbstredend mit unsterblichen Immergrüns wie:
„We *witsch* Au! a Merry Christmas“
„Schlag, Peitschchen, Aua Aua Weh!“
„Schneeflöckchen, Rotrückchen“
„Morgen, Kinder, wird’s was geben (einen Tetanus)“
„Stille Nacht, Peitschlein kracht“
„O Galgenbaum“
Und natürlich:
„I’m dreaming of a red Christmas“
und vielen mehr!
Natürlich gilt wie immer: Zuhause mitpeitschen ausdrücklich erlaubt! Ab sofort erhältlich beim „Streaming“-Schenk Ihres Vertrauens!
Ich wünsche Ihnen ein möglichst schmerzhaftes Weihnachten 2020!

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